WEGE & PFADE 13 | 3:35 Min
Neben dem Lindenauer Hafen gehört die Schleusentreppe in Wüsteneutzsch zu den markantesten Bauwerken, die mit dem unvollendet gebliebenen Elster-Saale-Kanal errichtet wurden. Mit ihr sollten 22 Meter Höhenunterschied auf dem Weg zur Saale bewältigt werden.
Das halbfertige Schleusenbauwerk scheint die perfekte Illustration des alten Ortsnamens Wüsteneutzsch abzugeben. Kriegsbedingt blieb hier das 1933 begonnene Kanalbau-Projekt unvollendet. Beide Endpunkte der damaligen Kanalstrecke lagen damit auf dem Trockenen. Während Speicher und Hafengelände in Leipzig auch ohne Wasseranschluss genutzt werden konnten, verblieb wenige hundert Meter vor der Saale nur eine Bauruine. Dass die Schleusentreppe überhaupt gebaut werden sollte, stand in der Planungsphase noch nicht fest, ursprünglich war die Errichtung eines Schiffshebewerkes vorgesehen.
Parallele Großprojekte
Dabei kommt die Verbindung zum nahezu zeitgleich entstandenen Schiffshebewerk in Magdeburg-Rothensee nicht von ungefähr. Die Anlage am Mittellandkanal war in ihren Abmessungen von 12 Metern Breite und 85 Metern Länge ebenfalls für die damals modernsten Schiffe der 1.000-Tonnen-Klasse ausgelegt. Ein Schiffshebewerk hätte jedoch die Baukosten des geplanten Kanals mehr als verdoppelt, die Überwindung der Fallhöhe von zweimal elf Metern wäre zudem technisches Neuland gewesen. Bei dem zu erwartenden Schiffsaufkommen auf dem Elster-Saale-Kanal erschien eine Schleusentreppe als ausreichend.
Das Kanalbauprojekt stand nicht allein: Als Südflügel des Mittellandkanals
sollte eine Schiffsverbindung zwischen Leipzig und der Saale entstehen, zeitgleich zum letzten Abschnitt des Mittelland-Kanals am Wasserstraßenkreuz Magdeburg. Beide Großprojekte kamen kriegsbedingt im Februar 1943 zum Erliegen. Während das Wasserstraßenkreuz Magdeburg im Rahmen der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit im Jahr 2003 vollendet wurde, blieb am Leipziger Kanal und der Schleusentreppe in Wüsteneutzsch die Zeit stehen.
Aufgeschoben – aufgehoben
Eine Fortführung der unterbrochenen Arbeiten am Kanal sollte bald nach dem Endsieg erfolgen. Doch das zu 75 Prozent fertige Großprojekt war bereits durch die technische Entwicklung eingeholt. Leipzigs Industrie, in erster Linie von Maschinenbau und Leichtindustrie geprägt, war durch Eisenbahn und Straße ausreichend gut erschlossen, Investitionen erschienen an anderer Stelle sinnvoller. Auch aus heutiger Sicht erscheint eine Vollendung ökonomisch unsinnig. Das touristische Interesse an einer Wasserstraßen-Anbindung Leipzigs beschränkt sich auf einige wenige Sportbootfahrer. Ausflugslinien auf der Saale sind inzwischen ohnehin pleite oder bis zur Marginalität geschrumpft. Wer es nachhaltig will, trägt sein Sportboot um.
Manches Trennende
Auch mit den Namen des unvollendeten Kanalprojektes manifestieren sich scheinbar nicht zu überwindende Probleme. Die den Leipzigern als Elster-Saale-Kanal und den Anhaltern in exakt umgekehrter Reihenfolge als Saale-Elster-Kanal vertraute Wasserstraße heißt offiziell Saale-Leipzig-Kanal. Die Umzeichnung erfolgte mit Wirkung vom 24.03.1999. Von beiden Bevölkerungsgruppen werden sowohl der neue Name als auch die alte Bezeichnung der jeweils anderen Gruppe abgelehnt oder bestenfalls strikt gemieden. Das Verzeichnis der sonstigen Binnenwasserstraßen des Bundes führt das mitteldeutsche Kanal-Fragment vergleichsweise neutral unter der laufenden Nummer 6901.