ANGEHEFTET

Zeitsprung unter Schnee und Eis

Lost Places im Winter

Der Schnee deckt Alltagsspuren an verlassenen Orte zu. Gerade dieses Verbergen bringt Verborgenes zutage, die Aufmerksamkeit rückt ein Stück auf das Wesentliche zu. So ergeben sich interessante Ansichten und Eindrücke mit den Überbleibseln aus vergangenen Zeiten.

Stuhl in verschneiter Ruine
Eine dicke Schneeschicht in der Ruine der Alten Mühle deckt zeitweise den Alltag zu

Früher war mehr Lametta heißt das berühmt gewordene Zitat aus dem Loriot-Sketch Weihnachten bei den Hoppenstedts aus dem Jahr 1976. Früher war natürlich auch mehr Schnee – wenigstens in der Erinnerung. Aktuell bleibt in unseren Breiten die weiße Pracht immer häufiger aus. Dass dies in den vergangenen Jahren wenigstens für einige Tage nicht immer so war, offenbart ein Blick ins Bildarchiv. Zutage kommen keine spektakulären Katastrophenbilder mit meterhohen Schneeverwehungen, sondern Alltagsaufnahmen mit Lost Places in Weiß. Auf ihnen zeigt sich der schnell ablaufende Wandel der Stadtlandschaften. Die mehr oder minder weiße Schneedecke deckt ab, nivelliert die Unterschiede und verziert. Sie überzieht Neubauten wie Ruinen, Brachflächen ebenso wie Landschaften und Parks. Wie bemerkte es Erich Kästner in seinem Gedicht Wintersport? Was gehn den Schnee die Leute an? - Er fällt. Und das genügt.

Fabrikruine im Schnee
Leerstehende Fabrikruine, Industriekanal und entweihte Kirche – Heiliche Gemeinschaft unter dichtem Schnee

Winter ist für Lost Places egal

Doch vielleicht ist sogar das Gegenteil der Fall. Auch wenn die Schneedecke mit ihren vielfältigen Mustern vieles abdeckt, unterstreicht sie doch auch die zeitliche und räumliche Entrücktheit der Objekte aus dem aktuellen Geschehen. Wenn es ein geplantes Wieder-Aufstehen zur Frühlingszeit geben würde, könnte man wahrscheinlich auch von einem vorübergehenden Winterschlaf sprechen.

Schleusenruine im Schnee
Der Blick über die unberührte Schneelandschaft bleibt an den wenigen herausragenden Architektur-Resten haften
Abriss Plattenbau
Selbst schnöde Abrissarbeiten vermag der Schnee mit wenigen Zentimetern bereits gut zu verdecken
Speichergebäude im Schnee
Aus der Brache eines Hafens und Leerstand zaubert ein wenig Schnee eine fast bilderbuchhafte Landschaft
Spuren im Schnee
Fußspuren im Schnee zeugen von der Erkundung einer Brachfläche – Bald wird das Niemandsland verschwunden sein

Winterzauber sieht anders auch

Das, was gewöhnlich mit anheimelnder Weihnacht verbunden wird, hat mit den Lost Places eher nichts zu tun. Doch Weihnachten bedeutet auch Wintersonnenwende, kündigt die kommenden helleren Tagen an und steht auch für ein über allem stehendes Heilsversprechen. Das kann stutzig machen – verbirgt sich dahinter nicht auch der Gedanke, so etwas im tristen Feld der Lost Places zu denken? Einen alten Glanz der verfallenen Größe flüchtig zu erhaschen? Den Wunsch zu entdecken, dass erhaltenswerte Bausubstanz einen Investor findet, der nicht allein eine historische Fassade vor einen Neubau stellt?

Weggerissener Gleisrest
Ein wenig lenkt der Schnee den Blick vom abgerissenen Brückensegment auf die Weihnachtsbaumreste
Bahndamm mit Schild
Ein Bahnbetrieb auf diesem Gleisabschnitt ist weiter entfernt als das kommende Frühjahr
Verschneite Güterrampe
Die alte Laderampe verharrt in der milden Januarsonne unter ihrer Schneehaube
Wasserturm im Schnee
Auch triste Ecken können auf dem weißen Winter-Teppich fast schon feierlich wirken
Ruinen hinter Brückenbogen
Vereiste Wasserläufe bieten für kurze Zeit Wanderwege mit neuen, anderen Blicken auf das Gewohnte
Verschneiter Gleisrest
Noch liegt ein Gleis unter dem Schnee verborgen, bald könnte es bereits ganz verschwunden sein
Fabrikgebäude im Schnee
Dank des Geländeprofils hebt sich die Industrieruine weit aus der Schneelandschaft heraus
Ruine eines Eckhauses
Kahl steht die Ruine eines Wohnhauses, auch der Schnee vermag hier nichts mehr zu richten
Dampflokteile im Schnee
Der Arbeitsvorrat eines Eisenbahnvereins unter der Schneedecke lässt keinen baldigen Frühling erwarten

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