GESCHICHTEN 3 | 2:45 Min
Mit dem Zentrum an der Kreuzung der Fernhandelswege via regia und via imperii lag Leipzig verkehrsgünstig und konnte sich in der Folge zu einem wichtigen Handelszentrum entwickeln. Auch mit modernen Verkehrsmitteln und deren Tücken arrangierte man sich beizeiten.
In Sachen Eisenbahnverkehr hatten die Leipziger sehr zeitig die Nase vorn. Zwar waren die Sachsen nicht die allerersten, doch mit dem realisierten Projekt der ersten deutschen Ferneisenbahn zwischen Leipzig und der Landeshauptstadt setzte man Maßstäbe. Vier Jahre zuvor war die Ludwigsbahn zwischen Nürnberg und Fürth mit viel Pomp eröffnet wurden. Verglichen mit der ingenieurtechnischen Meisterleistung der sächsischen Bahnstrecke, die auf 120 Kilometern Länge Leipzig mit Dresden über zahlreiche Brücken, Dämme und einen Tunnel verband, wirkte die sieben Kilometer lange Bahn in Franken wie ein Beratungsmuster.
Im Comitee der Bahngesellschaft, das federführend für Bau und Betrieb war, saßen bekannte Persönlichkeiten des Wirtschafts- und Finanzwesens, unter ihnen Gustav Harkort, Albert Dufour-Feronce oder Wilhelm Theodor Seyfferth. Die Bahn erwies sich als Erfolgsprojekt, rasch folgten weitere Linien. Bald hatte Sachsen ein dicht geflochtenes Eisenbahnnetz aufzuweisen, dessen erste Beschreibung durch Visionäre wie Friedrich List Jahrzehnte zuvor noch belächelt wurde.
Ein Bahnhof der Superlative
Für den ersten Leipziger Bahnhof folgte bereits sieben Jahrzehnte nach Eröffnung der Abriss. Er und weitere machten Platz für das Mammutprojekt eines Leipziger Zentralbahnhofes, das alle bis dahin bekannten Maßstäbe in den Schatten stellte. Mit 60 Millionen Reichsmark Baukosten allein für das Empfangsgebäude war er damals der teuerste Bahnhofsbau der Welt und mit 26 Bahnsteigen der größte Europas. Sachsens und Preußens Eisenbahnverwaltungen sowie die Reichspost teilten sich in den Bau. Auf zeitgenössischen Ansichtskarten pries man den Leipziger Hauptbahnhof gern als den Glaspalast von Sachsen. Nicht umsonst hatten seine Architekten Lossow und Kühne ihren Entwurf Licht und Luft genannt. Am symmetrisch aufgebauten Hauptbahnhof, den sich die sächsische und preußische Eisenbahnverwaltung teilten, störte auch nicht die Tatsache, dass auf beiden Seiten außer einer großen Uhr nahezu alles parallel vorhanden war. Beide Stationsvorsteher begrüßten einander täglich mit Handschlag.
Auch heute dominiert der Hauptbahnhof das Bild der nördlichen Innenstadt. Die Anlage des imposanten Kopfbahnhofes zeigte sich als architektonisch wie ästhetisch brillant, jedoch ökonomisch bald als weniger sinnvoll. Pläne für eine U-Bahn in Leipzig wurden bereits 1914 in einem Artikel von Regierungsbaurat Lubowski veröffentlicht. Zehn Jahre darauf begannen die Arbeiten zur Verbindung von Hauptbahnhof und Bayerischem Bahnhof – um bald darauf für längere Zeit liegen zu bleiben. Es blieb dann bei einer Tunneleinfahrt, in einen Teil der entstandenen Räume zog das Zeitkino ein, das bis zum Ende der DDR Wartende mit einem Non-Stop-Programm unterhielt. Eine wirkliche Fortsetzung brachten erst die 1990er Jahre, als Machbarkeitsanalysen die Notwendigkeit einer unterirdischen Stammstrecke für Leipzig empfahlen. Seit Dezember 2013 hat die Messestadt mit der S-Bahn Mitteldeutschland und dem Citytunnel die kürzeste U-Bahn der Welt.
Seit dem vorvergangenen Jahrhundert bereichert die Straßenbahn das Leipziger Straßenbild. Der zweitgrößte deutsche Straßenbahnbetrieb hat deutschlandweit mit 1458 mm die größte Spurweite, immerhin 23 mm mehr als die so genannte Regelspur. Einmalig ist auch der Grund dafür. Denn als im Mai 1872 die Leipziger Pferde-Eisenbahn AG den Betrieb aufnahm, fuhren die Wagen auf ganz normalen Gleisen mit jener Regelspur von vier Fuß und achteinhalb englischen Zoll oder eben 1435 Millimetern. Infolge starker Abnutzung jedoch vergrößerte sich dieses Maß innerhalb weniger Jahre. Mit der nächsten Fahrzeugbeschaffung richtete man das Augenmerk nicht etwa auf eine aufwändige Erneuerung der verschlissenen Gleise, sondern behielt die neue Spurweite bei.
Probleme und Visionen
Klagen über Lärm, den der Verkehr mit sich brachte, dürften bereits in längst vergangenen Zeiten geäußert worden sein. Ein neues Level war schließlich mit den rumpelnden und quietschenden Straßenbahnen erreicht. Gustav Haussmann, der Inhaber der Hof-Konditorei zum Fürst Reichskanzler
beschwerte sich in einem Schreiben vom 18. Juli 1913:
Einem Hochwohllöblichen Rat der Stadt Leipzig
Endesuntergezeichneter bittet den hochwohllöbl. Rat der Stadt Leipzig dafür Abhülfe zu schaffen wenn die Elektr. Straßenbahn die Göthestraße Ecke Brühl die Weiche passiert entsteht ein Getöse, daß das ganze Haus erschüttert, die Lampen klirren und ev. möglich bald ein Stück abfällt. Ich habe von verschiedenen Gästen Klage darüber gehört, daß die Herrschaften erschrecken und keine Zeitung in Ruhe lesen können dadurch erleide ich großen Schaden. Ich bitte sich selbst davon zu überzeugen und baldigste Aenderung treffen zu lassen.
Es zeichnet hochachtungsvoll und ergebenst
Gustav Haussmann
Möglichen Nachahmern des Beschwerdeführenden sei versichert, dass das Problem geklärt werden konnte. Seit den großflächigen Umbauarbeiten an Leipzigs Infrastruktur rund um den Innenstadtring existiert die störende Weiche zur Goethestraße seit 1970 nicht mehr. Das Problem hat sich wahrscheinlich verlagert. In den 1990er Jahren gab die Stadt ein Lärmgutachten in Auftrag, dessen Ergebnis ganz schnell in den Aktenschränken der Verwaltung verschwand. Die Lärmbelastung an vielen Grundstücken hatte bereits die Enteignungsgrenze überschritten.
Leipzig wäre auch gern eine Seestadt geworden, doch die geografische Lage war dafür verantwortlich, dass sie keine nennenswert schiffbare Flussanbindung und deswegen auch keinen Anschluss an Binnenwasserstraßen und Weltmeere besitzt. Die frühzeitig entstandenen Eisenbahnstrecken ließen Wasserstraßenpläne früh in den Hintergrund treten. Straßenseitig sah der Anschluss mit der via regia und der via imperii von Anbeginn günstiger aus. Das setzte sich in den 1930er Jahren mit dem entstehenden deutschen Autobahnnetz fort. Das nur wenige Kilometer entfernte Schkeuditzer Kreuz war das erste Autobahnkreuz in der noch heute geläufigen Kleeblatt-Form in Europa. Da stört es in der Messestadt wohl niemanden, dass es zwar am 21. November 1936 offiziell in Betrieb genommen, aber erst am 5. November 1938 fertiggestellt wurde.