Sport frei! an verlorenen Orten


Ehemalige Wettkampfstätten als Lost Places

  ORTE & PLÄTZE   17 | 4:35 Min

Entsprechende Zuschauerzahlen vorausgesetzt, wird Leistungssport zum staatstragenden Politikum. Medaillen und finanzielle Förderung befeuern den Ehrgeiz von Aktiven wie Funktionären, Prestigeobjekte entstehen. Von ihnen verbleiben markante Lost Places in der Landschaft.

Reste Schlittenbahn am Berghang
Ruinen der alten Rennschlittenbahn auf dem Fichtelberg in Oberwiesenthal

Nach Fertigstellung des nach einem Feuer neu errichteten Fichtelberghauses nahm die Baufirma 1967 ein sportliches Projekt in Angriff: An der Nordostflanke des Berges entstand eine Rennschlittenbahn. Die offizielle Inbetriebnahme der 1087 Meter langen Bahn erfolgte im Winter 1969/70. Doch bereits mit der Einweihung stand die Sportanlage im Abseits.

Doppelkurve Rennschlittenbahn
Aufgebrochener Übergang mit Baum – Wandererlebnis mit Endzeit-Ambiente

Bereits beim Bau überholt

Da im Westen fast zeitgleich eine künstlich vereisbare Bahn in Betrieb ging, konnte der DDR-Sport nicht nachstehen. Die nun wirklich neue Bahn entstand in Oberhof und war ab 1971 für das Training nutzbar. Ab 1972 fanden wichtige Wettkämpfe dort statt, denn der künstliche Eiskanal war besser zu befahren. Auch der Schneereichtum am Fichtelberg behinderte Training wie Wettkämpfe. Heute wäre der Klimawandel als gesicherte Ursache allen Übels schnell ausgemacht. Nach der Optimierung von Kurven und einer Kürzung der Strecke nutzte man die Bahn am Fichtelberg für Trainingsläufe und Jugendwettbewerbe bis zum Ende der DDR weiter. Mit den neuen Strukturen nach der Wende endete auch dieses Provisorium. Bei der Neugestaltung des Berges trug man den Anfang der Bahn ab, entfernte Kurven oder brach sie auf. Der ehemalige Herrenstart existiert noch heute als Fichtelberghütte.

Startgebäude an Kurve
Die Reste um den Pionierstart befeuern den Ehrgeiz von Urbexern und Sprayern
Gebäude am Waldrand
Die erste Zeitnahme stand vor Kurve 7, heute sind alle Kurven aus der Zeit gefallen
Betonklotz neben Bahn
Fundamente einer Startrampe reihen sich in den sportlichen Ruinengarten ein

Klein hat keine Chancen

Die Harzhausschanzen entstanden Ende der 1950er Jahre, die drei verschieden großen Schanzen K28, K15 und K4 waren bis zum Ende der DDR Trainingsstätte und Austragungsort von Jugendwettbewerben. Mittlerweile sind weder die Schanzen noch die Umgegend schneesicher genug für regelmäßigen Sportbetrieb in den nordischen Disziplinen. Ein kleiner Verein im Hintergrund konnte zudem den organisatorischen, technischen und finanziellen Aufwand für den Betrieb der Anlage unter aktuellen Bedingungen nicht mehr sicherstellen. Ein letztes Aufbäumen gegen die Zeit war im August 2009. Nach grundlegender Erneuerung weihte man die für den Mattenbetrieb umgebaute Schanzenanlage ein. Doch der Betrieb währte nur drei Jahre, seitdem verfällt die nicht mehr genutzte Sportanlage in der Harzer Natur.

Sprungschanze in Waldlichtung
Blick vom Schanzentisch zum Anlaufturm der Kurt-Heyder-Schanzen am Harzhaus
Holzgebäude am Hang
Das spartanische Funktionsgebäude duckt sich im Wildwuchs der Umgebung
Löwenzahn in Matte
Im Auslaufbereich der Schanze macht ein Löwenzahn seinen Platz geltend
Giebel Blockhütte
Für angesagte Gastronomie und Eventwert gelten heute andere Maßstäbe
Sprungschanze in junger Vegetation
Sportstättenruine und abgestorbener Baumbestand als zweifelhafte Landmarken

Aus Spaß wird Lost Place

Auch beim Freizeitsport ist manches ehrgeizige Projekt zum Lost Place geworden. Das Basso Bad Schmiedeberg war zu seiner Eröffnung 1993 das erste Spaßbad der neuen Bundesländer. Doch der Besucheransturm währte nicht lange. Für das überdimensionierte Planschbecken ohne Schwimmerbereich fehlte in der Provinz die Zielgruppe. Ende 2003 kam die Insolvenz, seit 2009 steht die geschätzte 32-Millionen-Mark Investruine als Lost Place in der Landschaft. Mit lokalem Engagement und politischen Sonntagsreden kann man in dieser Liga nicht mehr wirtschaften. Die Ruine reiht sich ein in die lange Reihe geschlossener Freibäder vor Ort.

In einer Spaßbad-Ruine
Auch lokale Prestigeprojekte des Freizeitsports können Lost Places werden
Müll im Eingangsbereich
Drei Monate vor der Insolvenz begrüßte man hier den 2,5-millionsten Besucher
Müll im Wasserbecken
Der Rest vom Spaßbad nach zehn Jahren Betrieb und fünfzehn Jahren Leerstand
Blick auf Wasserrutsche
Was groß wirkte und teuer war, erwies sich bald als zwei Nummern zu klein

Ohne Erlebniswert kein Überleben

Das Freibad nahe der Spree in der Touristenenklave Lübben stellte bereits gegen Ende der DDR den Betrieb ein. Das sedimentreiche Spreewasser drückte von unten in die Becken und trübte Wasser wie Badevergnügen. Noch im Jahr 1970 war das 1961 eingeweihte Bad als Freibad Philipp Müller werbeträchtiges Motiv einer Ansichtskarte. Heute badet man wenige Meter weiter auf breitem Sandstrand in einem künstlich angelegten Seitenarm der Spree. Der nennt sich nicht etwa Fließ sondern Spreelagune, während das versunkene Freibad stilles Refugium der Natur geworden ist. Soviel Nachhaltigkeit ist bei Sportstätten schon ungewöhnlich.

Teich mit Wasserlinsen
Nach mehr als drei Jahrzehnten Brache ist das alte Freibad kaum noch zu sehen
Startblock Schwimmbecken
Von diesem Startblock ging es in den tieferen Schwimmerbereich
Freibadrest im Grünen
Die Beckenreste sind zum Biotop geworden, eher selten für eine Sportstätte

An den verlassenen Sportanlagen zeigt sich: Leistungssport ist staatstragendes Aushängeschild im zyklischen Auf und Ab zwischen Medaillengewinnen, neuer Schwerpunktförderung und Umstrukturierungen. Mit Ökonomie oder gar Nachhaltigkeit hat er ebensowenig zu tun wie mit dem olympischen Gedanken. Leistungssport fördert schließlich auch nicht gerade die Gesundheit. Sport frei!