MILITARIA 12 | 3:10 Min
Im Licht des Sonnenaufgangs wirken sie beinahe wie ein Stück Stonehenge oder Teile eines römischen Aquaeduktes. Tatsächlich handelt es sich um die Reste von neun Bunkeranlagen. Sie waren Teil der Raketenproduktion in der Heeres-Versuchsanstalt im nahen Peenemünde.
Ab Mitte der 1930er Jahre begann durch Luftwaffe und Heer die militärische Nutzung des Peenemünder Hakens. Das abgelegene Gebiet auf der Nordspitze Usedoms bot gute Bedingungen für eine groß angelegte Versuchsanstalt. Im Mittelpunkt stand die Entwicklung der Großrakete Aggregat 4. Am 3. Oktober 1942 gelang schließlich der Start einer A4, die mit 84,5 Kilometern Höhe die Grenze zum Weltall überwand. Bis Mitte Februar 1945 erfolgten in Peenemünde und auf der benachbarten Insel Greifswalder Oie insgesamt 282 Starts. Traurige Berühmtheit erlangte die Rakete als Vergeltungswaffe V2
, wobei der Bau von Rakete und Produktionsanlagen mehr Opfer als ihre Einsätze forderte.
Auslagerung und Umstrukturierung
Im August 1943 kam es mit der Operation Hydra
zu einem massiven Bombenangriff auf die Versuchsanstalt. Bereits unmittelbar danach lief die Auslagerung der Produktions- und Forschungsstätten nach Süddeutschland an. An vier Standorten im Reich erfolgte die Serienfertigung der A4 durch KZ-Häftlinge unter Regie der SS. In der Nähe der neuen Montagestätten entstanden ebenfalls Anlagen für Testläufe. Da der Ausbau der unterirdischen Anlagen jedoch schleppend verlief, beließ man das Entwicklungswerk am Standort Peenemünde. In der Heeres-Versuchsanstalt erfolgten ebenfalls noch serienmäßig Einstellungs- und Kalibrierungsarbeiten.
Zu den Luftschutzmaßnahmen für Peenemünde gehörte der Bau der Raketenlagerbunker in den etwas abseits gelegenen Peenewiesen. Von den ursprünglich geplanten zwölf Bunkern wurden schließlich neun fertiggestellt. Wie bei anderen Bunkerbauten verwendete man auch genormte Fertigteile. Massive Betonsegmente in der Mitte der Konstruktion trugen die beiden schalenförmigen massiven Dachhälften. Die Bunker hatten eine Grundfläche von jeweils 28 x 16 Metern und waren an das gut 106 Kilometer lange Werkbahnnetz angeschlossen. Die beiden Bunkerkammern boten Platz für vier A4-Raketen auf speziellen Eisenbahnwaggons.
Sichere Standorte
Die Peenewiesen als auch andere östlich gelegene Teile des Geländes entstanden erst durch jahrelange Aufspülungen, die das Niveau der Fläche deutlich über den Meeresspiegel anhoben. Der weiche Untergrund sicherte deswegen eine gute Wirksamkeit der Bunkerbauten. Die Umstrukturierungen in Peenemünde und die zügige Auslagerung der Serienfertigung erwiesen sich nicht als übertrieben. Insgesamt dreimal wurde Peenemünde im Sommer 1944 Ziel von schweren Luftangriffen. Wenngleich der letzte Peenemünder A4-Start noch im Februar 1945 stattfand, war nach dem letzten Luftangriff vom 25. August 1944 kein normaler Testbetrieb mehr möglich.
Zwischen Natur und Geschichte
Im Gegensatz zu anderen Bauwerken der HVA blieben die Bunker in den Peenewiesen unbeschädigt. Nach dem Krieg nutzte man sie kurzzeitig zur improvisierten Unterbringung von Kriegsflüchtlingen. Die Peenemünder Anlagen erweckten kein militärisches Interesse bei den Sowjets. Die Raketentechnik war von größerem Interesse: Mitte 1946 arbeiteten in Thüringen etwa 7.000 deutsche und sowjetische Spezialisten unter strengster Geheimhaltung an der Rekonstruktion der V2 und der Produktionsanlagen. In Peenemünde demontierte und sprengte man Stück für Stück – entsprechend den alliierten Vereinbarungen – die verbliebenen Reste der Versuchsanstalt.
Im Schatten des militärischen Sperrgebietes konnte sich auf den Peenewiesen über Jahrzehnte ein Biotop entwickeln. Die Munitionsbelastung von Teilen der Versuchsanstalt schützte auch nach der politischen Wende vor Zerstörung durch Business und Touristik. Zwischen 2009 und 2011 legten Jugendliche im Rahmen internationaler Sommercamps die Bunkerreste frei. Heute bilden sie die Station 16 der Denkmal-Landschaft-Peenemünde. Mit dem 25 Kilometer langen Pfad erschließt man eines der größten Flächendenkmale der Bundesrepublik für sanfte Formen des Tourismus. Einblicke und Informationen zu den historischen Artefakten sind inklusive.