MILITARIA 11 | 4:55 Min
Panzerdenkmale gelten als eine sowjetische Erfindung, die auch auf DDR-Gebiet weit verbreitet war. Bei genauerem Hinsehen offenbaren sich in ihnen vor allem Pragmatismus und lokale Besonderheiten. Das gilt für die Zeit ihrer Aufstellung als auch für den aktuellen Umgang mit ihnen.
Die meisten Panzerdenkmale der DDR wichen vom Prinzip des Wächter-Panzers am Soldatenfriedhof ab. Die meisten der rund zwei Dutzend Panzerdenkmale entstanden erst in den 1970er Jahren: Mit dem Jahr 1975 war ein runder Jahrestag des Kriegsendes zu feiern, pragmatische Gesichtspunkte kamen hinzu. So war der Wiederaufbau nach dem Krieg weitgehend abgeschlossen, die nächsten Aufgaben schienen übersichtlich. In dieser Zeit stieg auch das Interesse an historischen Artefakten und der Wiederbelebung von Traditionslinien. Von diesem Zeitgeist abgesehen erwiesen sich die Sockelpanzer als einfach zu errichtende Denkmale, die politisch opportun waren, ein Stück Macht demonstrierten und obendrein auf fehlendes Material wie nicht verfügbare Arbeitskräfte Rücksicht nahmen.
Zeit für Denkmäler
Zum Denkmalspanzer schlechthin geriet der T34, meistgebauter wie meistabgeschossener sowjetischer Standardpanzer des Zweiten Weltkriegs. Technische oder denkmalpflegerische Belange spielten bei der Auswahl der Exponate kaum eine Rolle. Ende der 1960er Jahre gingen die knapp dreißig Jahre alten Panzer aus den aktiven Armeebeständen. Was lag einer Umwidmung einiger gut erhaltener Exemplare zu Denkmalen näher? Viele der Panzer befuhren ihren Denkmalssockel sogar noch aus eigener Kraft.
Projektion von Geschichte in die Gegenwart
Die Zahl der Denkmalspanzer auf dem Staatsgebiet der DDR hat sich mit der politischen Wende in etwa halbiert. Die einst hochtrabenden Symbole hatten deutliche Schrammen erlitten: Sowjetische Panzer bei den Ereignissen des 17. Juni in der DDR, in Ungarn 1956, beim Prager Frühling 1968. Auch das Massaker auf dem chinesischen Platz des Himmlischen Friedens saß tief im kollektiven Gedächtnis. In vielen Städten kamen negative Alltagserfahrungen als sowjetischer Garnisonsstandort hinzu. Zuerst betraf die Entfernung Denkmäler, wie das neben der Schlosskirche in Lutherstadt Wittenberg, die allzu plump und störend in das traditionelle Stadtbild hineinragten.
Doch Toleranz und Akzeptanz wachsen mit dem zeitlichen Abstand. Der ursprüngliche symbolische Wert ist bei vielen Denkmalen nahezu verschwunden, ehemals staatstragende Symbole sind Teil der Populärkultur geworden. In kleineren Gemeinden erscheint der Umgang mit den Sockelpanzern ohnehin entspannter. Oft stehen Hintergrundinformationen und die konkrete Geschichte der Akteure weit vor der symbolischen Bedeutung. So schrieb das Dörfchen Kienitz im Oderbruch Geschichte, dessen Bürgermeister sich mit viel Geduld und Energie engagierte: Ein Panzer, ja, ein richtiger Panzer – das wäre schon was!
wird er später in Chroniken zitiert. Der kleine Flecken hatte schließlich seine bleibende Attraktion, als am 11. August 1970 der Tieflader mit dem Objekt der Begierde aus Görlitz eintraf.
Inszenierung im Stadtpark
In Beilrode bei Torgau hatte ein spät gefasster Beschluss des DDR-Ministerrates eine regelrechte Nacht-und-Nebel-Aktionen zur Folge. Sie brachte einen T34 im Stadtpark auf den Sockel. Schnelligkeit war geboten, um den Termin zum 30. Jahrestag der Befreiung einhalten zu können. Der lokale Baubetrieb machte Unmögliches möglich, organisierte Material wie Personal. Schnellfestiger half beim Abbinden des Betons und extra angebrachte Riemchen sorgten dafür, dass der Sockel trotz Zeitmangels nicht zum Klotz geriet.
Unter den Augen von 5.000 Gästen konnte am 24. April 1975 das Denkmal feierlich eingeweiht werden. Die Feier verschaffte der 4.500 Seelen-Gemeinde Beilrode sogar einen Sendebeitrag in den Abendnachrichten der Aktuellen Kamera
. Die lokale Attraktion des Denkmal-Panzers überstand in der an Ereignissen bescheidenen Region auch die folgenden Jahrzehnte. Den Panzer ließ man deshalb auch über die Wendezeiten im Dorf, wenngleich er etwas ins Hintertreffen geriet.
Gegen den nach Jahrzehnten unansehnlich gewordenen Stahlkoloss regte sich später lokaler Widerstand der eigenen Art: Anwohner legten Hand an, entfernten Schmierereien und sorgten im Rahmen von bewährten Subbotniks für Entrostung und Neuanstrich. Finanzielle Unterstützung mit einem fünfstelligen Eurobetrag kam vom Kriegshistorischen Museum im russischen Wolgograd. Die (Wieder-) Einweihung des renovierten Denkmals konnte schließlich am 25. April 2019 stattfinden. Mit dem russischen Botschafter und dem Generalkonsul der USA war die Feier sogar prominent besetzt, allein die Medienpräsenz beschränkte sich auf die lokale Zeitung.
Dichtung und Wahrheit
Das Panzerdenkmal in Beilrode steht auch für manche Risse in Erzählungen und Symbolen. Allzu tief muss man dazu nicht graben. Torgau als sowjetisch - amerikanischer Begegnungsort liegt gut fünf Kilometer von Beilrode entfernt. Doch der berühmte Händedruck war eine mediale Inszenierung für die Öffentlichkeit. Der erste sowjetisch-amerikanische Kontakt erfolgte im Dörfchen Kreinitz bei Strehla, knapp dreißig Kilometer von den heutigen Erinnerungsorten entfernt. Aber das ist eine andere Geschichte. Manche Ungereimtheiten sind auch hier friedlich in der Geschichtsschreibung versunken.
Dass Geschichte respektvoll und umsichtig behandelt werden kann, bewies man 2018 auch in Burg bei Magdeburg. Der aus den 1970er Jahren stammende sowjetische Ehrenfriedhof nebst Panzerdenkmal wurde im Jahre 2018 anlässlich der Landesgartenschau umgestaltet und erweitert. Unter Einbeziehung des deutschen Soldatenfriedhofs ist die neu entstandene Gedenkstätte den beinahe tausend deutschen wie sowjetischen Opfern von Krieg und Zwangsarbeit gewidmet. Ein guter Blick über den ideologischen Tellerrand.
Panzerwracks in Deutschland verwaltet übrigens die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, zudem fallen auch historische Panzer unter das Kriegswaffenkontrollgesetz. Ungeachtet denkmalschützerischer Aspekte muss die Kanone unbrauchbar gemacht werden. Meist erfolgt das entweder durch Zuschweißen oder Aufschlitzen.
Nachtrag Juli 2023
Ungeachtet aller Medien-Kampagnen ist der Beilroder Panzer weder Kriegspropaganda noch blindem Aktivismus anheim gefallen. Ein Pappschild der örtlichen Grundschule mit Brechts Gedicht Bitten der Kinder
hat die russischen Staatsinsignien der Wiedereinweihung ersetzt und ergänzt das Denkmal auf behutsame Weise.