MILITARIA 18 | 4:25 Min
Die Mitteldeutschen Motorenwerke waren ein wichtiger Flugmotoren-Hersteller des Dritten Reiches. Um die Firma machte man wenig Aufhebens, die Produktionsanlagen standen unauffällig im Graßdorfer Wäldchen nordöstlich von Leipzig. Geblieben sind gesprengte Reste.

Auch die Aktenlage ist spärlich, teils durch Bombenangriffe, teils durch gezielte Vernichtung. Die Löschung der Firma im Handelsregister des Amtsgerichts Leipzig erfolgte am 27. August 1948. Es war der Schlusspunkt nach drei Jahren Vorbereitung und Aufbau, fünf Jahren Produktion sowie weiteren drei Jahren der planmäßigen Abwicklung.



Die Mitteldeutsche Motorenwerke Gesellschaft mbH gehörte zur Auto-Union, am 29.6.1935 eingetragen beim Chemnitzer Amtsgericht zur Herstellung von Motoren aller Art
. Die Organisation folgte einem gängigen Schema der Zeit: Eilige Gründung, Verteilung auf verschiedene Gesellschaften und rascher Aufbau mit Kapitalaufstockungen aus öffentlichen Mitteln – dazu kam noch der Aktionismus der NS-Zeit.
Kriegstauglicher Standort
Ende 1934 fiel die Standortwahl auf Leipzig. Der traditionelle Maschinenbau-Standort mit seinem Fachkräftepotential sowie das Netzwerk von Flugzeugbau-Standorten und fliegerischer Infrastruktur standen hinter der Entscheidung. Bald war als Standort der Parthebogen am Graßdorfer Wäldchen favorisiert. Zum Problem drohte zu werden, dass die Grundstücke teils auf Leipziger, teils auf Tauchaer Flur lagen. Die Einigung zwischen den drei Parteien kam erst nach Einschreiten des Reichsluftfahrt-Ministeriums zustande.



Mitte Juli 1935 standen konkrete Bebauungspläne fest, denen erste Gebäude folgten. Die Flugmotoren-Produktion erfolgte interimsmäßig am Standort Zwickau. Ab September 1936 lief mit rund 1.000 Arbeitskräften die Montage am neuen Standort Taucha an. Im Mai 1937 war der Umzug abgeschlossen, bei laufendem Betrieb lief der Ausbau auf dem Veitsberg weiter. Allein im Verlauf des Jahres 1938 stieg die Mitarbeiterzahl um 78 Prozent. Letzte bauliche Erweiterungen erfolgten zwischen 1941 und 1943 mit drei neuen Fertigungshallen für die Kurbelwellenproduktion im Süden des Geländes. Auf 56 Hektar Geländee befanden sich Produktionsanlagen mit rund 46.000 m² Grundfläche sowie 10.000 m² Nebengebäude.
Unauffällig im Wäldchen
Die Bebauung entsprach den Forderungen des Luftschutzes. Alle Gebäude waren in das Waldareal und das hügelige Gelände eingepasst, gezielte Aufforstungen sollten für weitere Tarnung der Objekte sorgen. Die Montegehallen aus Stahlfachwerk besaßen massiv ausgeführte Teilunterkellerungen für Luftschutzräume. Die lockere Bebauung hatte allerdings für die Produktivität ihren Preis: Es entstanden Transportstrecken von rund 32.000 Metern Länge.

Mit dem Ausbau des Werkes lief Mitte der 1930er Jahre auch der Wohnungsbau in Taucha an, das seine Einwohnerzahl mehr als verdoppelte. Das Arbeitskräfte-Potenzial vor Ort war jedoch bald ausgeschöpft, es folgten gezielte Anwerbungen in Zwickau, dem Erzgebirge sowie dem Raum Aachen. Im Verlauf des Krieges stieg die Zahl der Dienstverpflichteten und Fremdarbeiter aus Polen, Ungarn, Italien und Frankreich. Später kamen sowjetische Kriegsgefangene hinzu. Ende 1942 war mit 9.339 Beschäftigten ein Höchststand erreicht. Davon waren 3.901 Personen ausländische Zwangsarbeiter.
Gefertigt wurden als Lizenzbauten Junkers-Flugmotoren. Mit dem Dieselmotor Jumo 205 lief die Produktion an, von 1938 bis 1943 fertigte man vor allem den Jumo 211, Standardmotor der Luftwaffe. Im Jahre 1939 konnte man 5.327 Motoren ausliefern. Neben der Montage führte man auch Reparaturen sowie Umbauten aus. Ab April 1944 fertigte man den Jumo 213, später auch Verdichter für das Strahltriebwerk Jumo 004.

Rüstungsstandort im Visier
Mit der HASAG in Leipzig-Schönefeld und Taucha sowie den ERLA-Werken in Leipzig-Heiterblick rückte der Nordosten Leipzig als Großstandort der Rüstungsindustrie ins Fadenkreuz alliierter Bomberplanungen. Nach ersten Luftangriffen im Mai und Juni 1944 folgte am 7.Juli ein fataler Schlag. Die 8. US-Airforce flog einen Großangriff gegen insgesamt acht Ziele der Treibstoff- und Flugzeugindustrie. Eines dieser Ziele waren die Mitteldeutschen Motorenwerke. Zur Schadensbilanz gehörten zerbombte Montagehallen und mehr als 644 beschädigte oder zerstörte Maschinen. Nach zwei weiteren Angriffen waren im November 1944 etwa 60 Prozent der Werksanlagen zerstört. Ende Dezember 1944 arbeitete nur noch ein knappes Drittel der MMW-Belegschaft am Stammsitz. Ein großer Teil der Produktion war in leerstehende Fabriken in Reichenberg (Liberec) und zu anderen sicheren Standorten ausgelagert worden.





Sehen Sie, Sie sehen nichts
Nach Kriegsende sicherte die amerikanische Militärregierung noch Dokumente vor Ort. Im Juni 1945 versuchten die Mitteldeutschen Motorenwerke, mit rund 500 Mitarbeitern eine zivile Produktion im Sektor polygraphischer Maschinenbau und Reparatur aufzubauen. Doch der ehemalige Rüstungsbetrieb – wie auch die Werke von HASAG, ERLA oder ATG im Umfeld – wurde ab Januar 1946 demontiert. Sämtliche verbliebenen Werkhallen, Anlagen und Nebengebäude sprengten sowjetische Truppen nach deren Ausräumung. Einzig das Verwaltungsgebäude und die Fliegertechnische Vorschule blieben stehen.

Mit den Sprengungen verfiel das Gelände zu einem Niemandsland. Die Rote Armee mit ihrem nahen Standort in Heiterblick nutzte Teile des Geländes zu Übungszwecken und zeitweise als Panzerfahrstrecke. Mit dem Luftschutzgesetz der DDR setzte man Ende der 1950er Jahre das Verwaltungsgebäude der MMW für das Luftschutzkommando des Bezirks Leipzig instand. Als Schule für den Luftschutz, später als Bezirksschule für Zivilverteidigung kam das Gebäude zu neuen Aufgaben. Mit Bunkern und technischen Erweiterungsbauten sollte es zudem als geschützter Arbeitsraum für verschiedene Partei- und Staatsorgane dienen. Im Geländeteil gegenüber entstand in den 1960er Jahren ein Sperrbereich mit Ausweichführungsbunker, Munitionsbunkern und Schießanlage für die Bezirksbehörde der Volkspolizei. Beim Ministerium für Staatssicherheit wurde die Anlage als Dienstobjekt geführt.



Der Gebäudekomplex der Fliegerschule, der bereits zu DDR-Zeiten als Altenheim genutzt wurde, musste Mitte 2008 einem Erweiterungsbau des DRK-Altenheims Am Veitsberg weichen, das Verwaltungsgebäude steht nach einem Interim als Flüchtlingsheim seit 2006 leer. Das ehemalige MMW-Gelände soll im Regionalen Grünzug Nr. 70 einer Waldnutzung zugeführt werden.