URBANES 13 | 3:30 Min
In der öffentlichen Inszenierung sollte es ein Vorzeige-Viertel mit innovativem und sozialem Wohnkonzept werden. In der Realität prägten Grundstücksspekulationen, flaue Absichtserklärungen und Aufschübe das Geschehen. Regelmäßig war alles immer wieder in guten Händen.
Im Sommer 2023 passierte der Bebauungsplan die Leipziger Stadtversammlung. Wenn – ja, wenn! – alles glatt geht, könnten die Bauarbeiten 2024 beginnen. Die Fläche, um die es geht, ist eine Brache im XXL-Format. Mit 25 Hektar Fläche ist sie halb so groß wie die historische Leipziger Innenstadt. Unter dem Planungstitel Leipzig 416 soll auf dem beräumten Bahngelände ein komplettes neues Stadtviertel entstehen. Gemischte Nutzung, hoher Grünanteil, moderne Mobilität und manch anderes mehr, was gerade woke ist, stehen im planerischen Mittelpunkt. Neben der geplanten Wohn- und Gewerbenutzung sollen ein Nahversorgungszentrum, eine Grundschule, eine weiterführende Schule, Sport- und Freizeitanlagen sowie zwei Kitas entwickelt werden. Doch außer regenbogenfarbenen Papiertigern entwickelte sich bislang nur die Preisdynamik.
Bodenpreis geht durch die Decke
Die 416 im Titel des Bauvorhabens bezieht sich auf den Kern der künftigen Postleitzahl des Gebietes. Doch bis der erste Briefkasten empfangsbereit ist, dürfte es bei aller Hybris noch etwas dauern. Als die Deutsche Bahn die Brachfläche des stillgelegten Güterbahnhofs für 2,1 Mio Euro veräußerte, startete kein Bauvorhaben. Vielmehr begann ein Monopoly der Superlative seinen Lauf. Aus den vergleichsweise bescheidenen 2,1 Millionen Euro wurden 33, später 195 und schließlich 210 Millionen. Im bundesweiten Feuilleton sieht man in derartigen Spekulationsblasen bereits ein erfolgreiches Geschäftsmodell, das landauf wie landab in wachsenden Zentren erfolgreich praktiziert wird. Am Ende erzeugt der explodierte Grundstückspreis eine Verdichtung des Bauvorhabens. Auf derselben Fläche müssen deutlich mehr und deutlich teurere Wohnungen entstehen. Es muss sich schließlich rechnen, für Abstriche bleibt nur die Qualität übrig.
Größenwahn und Schieflagen
Die grundlegende Problematik liegt auf der Hand. Ganz ähnliche Probleme ergaben sich bei ähnlichen Bauvorhaben im XXL-Format. Manches wurde bereits diskret korrigiert. Am Bayerischen Bahnhof beginnt sich nach acht Jahren Projekt- und Wartezeit ein abschließender Bebauungsplan mit mehreren Akteuren abzuzeichnen. An der Ostseite des Hauptbahnhofes läuft das Mega-Projekt Löwitz-Stadtteil als ein Joint Venture mehrerer Investoren an.
Die Stadtverwaltung scheint überfordert, Planungen beruhten oft auf Stückwerk und löchrigen Vertragswerken. Städtebauliche Kennziffern kreisen um sich selbst. Ähnlich wie in den 1990er Jahren bei den Einkaufszentren geraten Netto- und Bruttoflächen immer wieder durcheinander. Zeitlich vor den stockenden und ineffizienten Großvorhaben füllen inzwischen kleinere und kleinste Projekte die baulichen Lücken. Auch lebenswerte Brachflächen fallen so der städtischen Verdichtung anheim. Bürgergespräche und Nachbarschaftsforen mit ihrer geduldigen Zahnlosigkeit bringen inzwischen nichts mehr. Am Ende thront der faule Kompromiss aus Gewinnmaximierung und grünem frame alignment bei städtebaulichem Mittelmaß.