URBANES 12 | 2:10 Min
Mit Großstädten werden die Anonymität des Einzelnen als auch unpersönliche Menschenmassen verbunden. Mit Hilfe einiger Farbspraydosen geht es auch anders. Hier eine kleine Auswahl jener alltäglichen Begleiter, die so oder ähnlich fast überall zu finden sind.
Der französische Philosoph und Medientheoretiker Jean Baudrillard gilt als einer der ersten, die sich intensiv mit dem Phänomen der Graffitis beschäftigt haben. Ende der 1970er Jahre veröffentlichte der studierte Germanist sein Buch Kool Killer oder Der Aufstand der Zeichen
. Das große Echo auf diese Veröffentlichung brachte Baudrillard, der sich auch intensiv mit der Fotografie beschäftigte, viel Zustimmung als auch viel Kritik. Heute zählen seine Werke zu den Standardschriften postmodernen Denkens.
Sinnenleere und Einmischung
Die Stadt, Vertreterin des Urbanen schlechthin, ist für Baudrillard zugleich ein neutralisierter und homogenisierter Zeit-Raum. Dieser wiederum ist zerstückelt durch Zeichen, die versuchen, sich gegenseitig zu überbieten. Es ist eine sinnentleerende Verzweigung der Zeichen, die für eine symbolische Zerstörung gesellschaftlicher Verhältnisse steht. Teil dieser Zerstörung ist auch die Exekution der Zeichen. Ein Entkommen aus dieser Logik gibt es für Baudrillard nicht, indem man neue Bedeutungen produziere, sondern nur, indem man leere Zeichen setze. Das Paradebeispiel dafür sind für ihn die Schriftzüge und Tags der Graffitis auf der New Yorker U-Bahn. Diese durch keinen Sinn aufgefüllten Zeichen seien das einzig verbliebene Wahre. In ihrer Bedeutungslosigkeit würden sie die vorherrschende Sinnlosigkeit beschleunigen und radikalisieren.
Gesichter gegen graue Theorie
Graffitis sind für Baudrillard – und eben den Neo-68er-Zeitgeist der 1980er Jahre – eine Auflehnung gegen bürgerliche Identität. Nach Baudrillard widerstehen sie jeder Interpretation, jeder Konnotation, und sie denotieren nichts und niemanden, weder Denotation noch Konnotation
. Mit mehr als vier Jahrzehnten Abstand zeigen sich mache Löcher in der Deutung seiner Aufstände der Zeichen, setzt man erst einmal die ideologische Brille ab.
Denotation hin, Konnotation her: So einfach kann sich nicht aus Sinnzusammenhängen und Interpretationen herausstehlen. Auch eine Nicht-Botschaft trägt eine Botschaft mit sich. Nur ist die Wirkungskette zwischen Sender und Empfänger weder linear noch ohne Widersprüche.