ORTE & PLÄTZE 20 | 4:30 Min
Statistisch gesehen hätten Beherbergungsbetriebe in Deutschland keinen Grund zum Jammern. Ausgaben fürs Reisen stehen auf dem zweiten Platz der Prioritätenliste. Nach der Corona-Flaute wurde in der Branche zugelegt, doch das gilt nicht für alle und überall.
Sorglos-Pakete im Mittelpunkt
Der Kern des Problems offenbart sich bereits in den Statistiken zur Buchung, denn gut die Hälfte der Interessenten ist als Couchbucher online unterwegs. Ganz ähnlich steht es um die Wahl der Urlaubsart: Rundum-sorglos-Pakete mit Wellness, Kultur und Alles-in-einem bestimmen den Trend. Dabei gilt: Bitte alles vor Ort oder besser gleich im Haus. Selbstredend legt man noch Wert auf den (sauber einkalkulierten) Rabatt, denn Geiz ist mindestens halb so geil wie Urlaub. So nimmt es auch nicht Wunder, dass der Löwenanteil der Online-Buchungen gleich beim Marktführer erfolgt.
Familienbetriebe bleiben auf der Strecke
Fakt ist: Rund ein Drittel der Beherbergungsbetriebe klagt den Branchenverbänden zufolge über zu magere Gewinne. Hier geht es aber nicht um Geiz. Die verbleibenden Einnahmen sind nach Abzug aller explodierten Kosten zu gering, um weiter mithalten zu können. Die Abwärtsspirale drehte sich bereits seit Jahrzehnten: Gästemangel - Einbußen - Personalmangel - Einschränkungen. Entscheidendes Kriterium im Verdrängungswettbewerb ist am Ende die Betriebsgröße. Die Zahl der (noch) wirtschaftenden Betriebe täuscht darüber hinweg, dass eine Auslastung von lediglich 25 Prozent eher Alltag als Ausnahme ist. Das geänderte Nutzungsverhalten spielt diesem Trend in die Karten, wenn es nicht gar Ursache ist. Der lang geplante Jahresurlaub ist nicht mehr das Standardmodell. Die schiere Anzahl der weltweit verfügbaren Ziele und Last-Minute-Angebote haben die Relationen verschoben. Der Preis regelt am Ende die Moral: Den Kurztrip auf die Malediven zum Preis eines Wochenendurlaubs in Deutschland unternimmt dann auch der radikalste Umweltaktivist – Und postet ihn noch stolz.
Statistik gibt Auskunft
Das Problem Tourismusflaute hat differenzierte Ursachen und entpuppt sich in mancherlei Hinsicht schwieriger als ein simpler Verlagerungsprozess. Vom Markt verdrängt wurden in den letzten beiden Jahrzehnten vor allem kleine Betriebe: Gaststätten mit Beherbergungsbetten, Pensionen auf dem Lande und familiengeführte Hotels. Der Umsatzrückgang lag bei ihnen, über zwanzig Jahre betrachtet, zwischen 20 (Hotels) und beinahe 40 Prozent (Gasthöfe). Mit Teuerungen und Inflation ein sicheres Todesurteil. Selbst die scheinbar allgegenwärtigen Jugendherbergen haben etwa die Hälfte ihrer Übernachtungen eingebüßt. Als die stabilsten Betriebe erwiesen sich die Hotel Garni. Der typische Handelsvertreter ist wohl nicht wählerischer geworden.
Hotspot vs. Region
Der Unterschied zwischen traditionellem Landgasthof und modernem Urlaubsresort ist ähnlich dem Unterschied zwischen gut sortiertem Einzelhandel und Discounter im Shopping-Zentrum. Die Region entdecken? Das Smartphone gibt Auskunft. Land und Leute kennenlernen? Der angetroffene Tischnachbar beim Erlebnis-Highlight tut es auch. Klassische Ausflugsziele, unter denen man sich je nach Vorliebe einige auswählt, sind ebenfalls von Vorgestern. Auch nur der Anflug von Eigeninitiative gilt als verstaubt. Heute gibt es eine To-Do-Liste als Anweisung, was man alles gesehen haben muss. Die gibt es obendrein aufs Smartphone und von dort wandern dann die ewig gleichen Selfies in Richtung Social Media. Einheitsbrei in Pseudo-Bunt.
Noch nie, so das Statistische Bundesamt wie Branchenverbände übereinstimmend, gab man in Deutschland so viel Geld fürs Reisen aus wie heute. Das liest sich im ersten Moment wie ein typischer Euphemismus aus der Bundespressekonferenz. Der Unterschied ist, dass die Aussage statistisch und inhaltlich stimmt. Man muss mehr ausgeben.