TECHNIK

Nächster Halt: Endstation

Straßenbahnen warten auf Verschrottung

In Leipzig und anderswo im Osten rollten und rollen Tatra-Bahnen nach Ablauf der Einsatzfristen schubweise aufs Abstellgleis. Kontinuierlich werden ihre Reihen immer dünner. Die meisten schaffen es nicht mehr in den Verkauf, der Markt in Osteuropa ist gesättigt.

Ausrangierte Straßenbahnen
Ausgemusterte Tatras warten im Betriebshof Leipzig-Leutzsch auf den Schrotthändler

Emotional aufgeladene Technik

Irgendwann ist auch für technische Artefakte unausweichlich Schluss. Der Rohstoffkreislauf wartet und fordert seinen technisch begründeten Tribut. Im Falle einer Straßenbahn, die das Ende ihres regulären Betriebseinsatzes erreicht hat, sollte das nüchtern und ohne Emotionen ausfallen. Doch mit der Ablösung der Tatra-Bahnen zeigt das emotionslose Bild manche Risse. Tatras prägten quer durch die DDR über Jahrzehnte sowohl Straßenbild als auch persönlichen Alltag. Für mindestens eine Generation wurden die Fahrzeuge zum Synonym für Straßenbahn schlechthin.

Fahrerpult einer ausrangierten Straßenbahn
Keine zehn Jahre nach der Modernisierung erfolgte bereits die Abstellung
Ausrangierte Straßenbahnen von vorn
Nach eineinhalb Jahren Abstellzeit ist Triebwagen 2046 nur noch ein Wrack

Ikonische Fahrzeuge

Der Ursprung der Tatras liegt in den PCC-Straßenbahnen, einem in den USA entwickeltem Standardtyp aus den 1930er Jahren. Nach dem Krieg gelangten sie durch Lizenzvergaben nach Europa. Die tschechoslowakischen Tatra-Werke in Prag übernahmen ab den 1960er Jahren im Rahmen des RGW die zentrale Produktion von Straßenbahnen für die sozialistischen Länder. Diese Monopolstellung ermöglichte den Produktionsumfang von etwa 14.000 Tatra-Triebwagen über einen Beschaffungszeitraum von mehr als zwanzig Jahren. Das markante Design stammte von dem bekannten Industrie-Designer František Kardaus.

Ausrangierte Straßenbahnen von innen
Einige Ersatzteile wurden sporadisch gewonnen, den Rest besorgte Vandalismus
Ausgebrannte Straßenbahnwracks
Bei zwei Triebwagen besiegelte Brandstiftung den Gang in den Rohstoffkreislauf
Straßenbahnen von innen
Manche Fahrzeuge lassen vom Einsatzende der Tatras ein chaotisches Bild entstehen
Heckansicht Straßenbahn
Nach einer Ersatzteilspende bieten sich ungewohnte Einblicke ins Innere
Kaputter Scheinwerfer
Manche Blickwinkel zeigen die ausrangierten Bahnen in beinahe bedauernswerter Geste
Umgekippte Straßenbahn
Ein Triebwagen kam als Trainingsobjekt für technische Notfallübungen in ungewöhnliche Lage
Verschrottung von Straßenbahnen
Anfang Juli 2016 war mit Schrott-Scholz aus Espenhain das Ende der Sammlung gekommen
Verschrottung Straßenbahn
Mit brachialer Maschinenkraft entstehen binnen einer Viertelstunde transportfähige Teile

Totgesagte leben länger ...

Die Fahrzeuge der letzten Lieferjahre brachte man mit unterschiedlichen Modernisierungen in den 1990er Jahren auf den aktuellen Stand der Technik. Doch ob Leipzig, Halle oder Dresden: Probleme bei der Neubeschaffung von Straßenbahnen, klamme Kassen und Reparaturstaus an der Infrastruktur zögerten das Tatra-Ende immer wieder hinaus. In Leipzig feierte man mit der letzten Hauptuntersuchung eines Tatra bereits im Januar 2010 das nahende Einsatzende. Vierzehn Jahre später sind es immer noch 30 Fahrzeuge, die bei Großveranstaltungen und Störungen zum Einsatz kommen. In der Lokalpresse seht man dem Einsatzende 2025/26 entgegen. Ob sich Fahrkomfort und Zufriedenheit der Fahrgäste allein an der Einstiegshöhe bemessen lassen, scheint jedoch zweifelhaft.

Teile auf Schrotthaufen
Das Ende wirkt vor der grünen Kulisse in der Julisonne beinahe versöhnlich

Die Aufnahmen entstanden in den Jahren 2015 und 2016.

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