ERKUNDUNGEN 11 | 3:15 Min
Um ausgewählte Dinge an nachfolgende Generationen weiterzugeben, wählte man bei größeren Bauprojekten eine Zeitkapsel zu ihrer Aufbewahrung. Eingelassen wurde sie zumeist im Grundstein – aber auch hoch oben in den sogenannten Kirchturmsknöpfen.
Die Idee dieser gesteuerten Zeitreisen ist nicht neu. Bereits der assyrische König Assurbanipal legte im siebenten vorchristlichen Jahrhundert eine aus 25.000 Tontafeln bestehende Bibliothek an, um das Wissen seiner Epoche der Nachwelt zu übergeben. Im Jahre 1846 entdeckten Archäologen seine Sammlung in Ninive, im heutigen Irak. Doch auch in moderner Form sind Zeitkapseln in Gebrauch. So starteten in den 1970er Jahren die Raumsonden Pioneer 10 und 11 sowie Voyager 1 und 2 mit Plaketten zu dem Basis-Wissen über Mensch und Erde in die Tiefen des Weltalls.
Ähnliche Informationen sind aktuell in den Geo-Satelliten Lageos I und II im Orbit unterwegs. Aber es muss nicht immer derart hoch hinaus gehen: Im Oberrieder Stollen bei Freiburg im Breisgau befindet sich seit 1978 der Zentrale Bergungsort der Bundesrepublik Deutschland. In einem ehemaligen Silberstollen lagern inzwischen mehr als 1.400 Edelstahlbehälter mit insgesamt 27 Millionen Metern Mikrofilm, der in Kopie das kulturelle Erbe der Bundesrepublik Deutschland für die Nachwelt speichern soll.
Ramsch oder unscheinbare Schätze?
Ein häufiger und beliebter Aufbewahrungsort sind Dachböden. Dabei ist der Bereich zwischen letztem Wohngeschoss und Dach ursprünglich keine Zeitkapsel. Einst diente der Ort als Lager für Stroh, Korn oder Handelsware, bei Mietshäusern nutzte man ihn später als Trockenboden für die Wäsche. Im Gegensatz zum Keller, der vor allem zur Lagerung von Lebensmitteln und Brennstoffen diente, gab es beim Boden etwas mehr Freiraum für die Nutzung. Ohne den Druck der Vorratswirtschaft lagerte man im Niemandsland der Dachböden jene Gegenstände, die nicht mehr zum eigentlichen Haushalt zählten, andererseits aber noch nicht weggeworfen werden sollten.
Scheinbar außerhalb der Zeit
Dabei lässt sich das zunächst geplante Zwischenstadium nicht selten in Jahrzehnten messen. So sind Dachböden für ungezählte Gegenstände ein Ort des dauerhaften Dazwischen-Seins. In einem Zeitraum zwischen noch-nicht-weg und nicht-mehr-da lagern die unterschiedlichsten Gegenstände, friedlich vereint im gedämpften Schummerlicht unter dicken Staubschichten. Zwischen persönlichen Reliquien und liebenswertem Krempel finden sich Kindheitserinnerungen neben nicht mehr Nützlichem, liegen Ausrangiertes und halb Vergessenes neben- oder übereinander. Alles dämmert einem unbestimmten Schicksal entgegen.
Vieles hat dabei auf den Dachböden ein Stück der Zeitläufe überdauert, wenngleich der gute alte Dachboden keine ideale Zeitkapsel ist. In den meisten Fällen landen auf ihm keine extra ausgewählten Gegenstände. Es sind vielmehr solche, die es in eine Auswahl nicht mehr geschafft haben, aber andererseits zum Wegwerfen zu schade sind. Durch die Auswahl ohne System entpuppen sich später viele Dachbodenfunde als Überraschungen. Mitunter messen sich die Funde aber auch in Kubikmetern, die entsorgt werden müssen.