WEGE & PFADE 14 | 4:30 Min
Jahrzehntelang trotzte der Bayerische Bahnhof in Leipzig der Konkurrenz durch den Hauptbahnhof. Das Ende kam mit der Wende, im Juni 2001 folgte der totale Schnitt. Der neue City-Tunnel nahm dem ältesten erhaltenen Kopfbahnhof Deutschlands sogar den Gleisanschluss.
Der 1842 eröffnete Bayerische Bahnhof in Leipzig blieb mit seinen Anlagen auch nach der Inbetriebnahme des Hauptbahnhofes im Jahr 1915 bestehen. Städteplaner störten sich an den Gleisanlagen in der Stadt, den Nazis missfiel er als Symbol der schlechten alten Zeit. Bei allem Für und Wider entschied letzten Endes das hohe Verkehrsaufkommen über seinen Weiterbestand. Neben seiner Rolle als Entlastungsbahnhof in Richtung Süden sorgten Anrainer wie Großmarkthalle, Bahnkraftwerk, Gasanstalt und Schlachthof für ein hohes Frachtaufkommen. Die in den 1920er Jahren in großem Stil gewachsene Braunkohleindustrie im unmittelbaren Südraum sorgte für reichlich Pendlerverkehr. Den zweiten Weltkrieg überstand der Bahnhof mit einigen Blessuren. Die Empfangshalle des Bahnhofs und das Heizhaus 2 im Bahnbetriebswerk wurden bei Luftangriffen zerstört und zeitnah abgerissen.
Auf und Ab durch Jahrzehnte
Das noch heute als Ruine erhaltene Heizhaus 1 stammt aus der letzten Ausbaustufe der Bahnanlagen um 1895. Gebaut wurde es mit anfangs 10, später 20 Schuppenständen und einer 20-Meter-Drehscheibe. Das Bahnbetriebswerk Bayerischer Bahnhof war zuständig für Personen- und Güterzugleistungen Richtung Süden sowie umfangreiche Rangierdienste vor Ort und im Bahnhof Gaschwitz. Das Bw wurde 1964 als selbstständige Dienststelle aufgelöst und als Einsatzstelle dem Bw Leipzig West zugeordnet. Zunächst zog man hier die im Güterzugdienst eingesetzten E-Loks zusammen. Mit dem Ausbau der neuen Einsatzstelle Stötteritz gab man schließlich 1970 das Bw Bayerischer Bahnhof komplett auf, der Standort diente fortan dem Gleisbaubetrieb Naumburg zur Unterhaltung seiner Baumaschinen.
Absturz mit der Wende
Auch durch die Zeit der DDR kam der Bayerische Bahnhof trotz mancher Abstriche recht unbeschadet. Ende der 1970er Jahre kamen sogar Pläne in die Öffentlichkeit, die historischen Bahnhofsgebäude als Verkehrsmuseum umzunutzen. Im Gespräch waren eine neue Bahnhofshalle am historischen Ort, Ausstellungsräume sowie ein Museumsgleis mit regelmäßigem Fahrbetrieb in Richtung Messegelände. Für konkrete Planungen wie schöne Visionen zog die politische Wende einen Schlussstrich. Das endgültige Aus nach raschem Niedergang kam mit den Arbeiten am City-Tunnel und dem neuen Mitteldeutschen S-Bahn-Netz. Heute existiert der pro forma älteste Kopfbahnhof Deutschlands nur noch als verstreutes Gebäudeensemble ohne Gleisanschluss. Der sanierte historische Portikus steht verbaut hinter der Bunkerarchitektur des tiefergelegten Haltepunktes. In den Bahnhofsgebäuden hat sich die Nachwendegründung der Gosebrauerei Bayerischer Bahnhof etabliert. Gebäude der ersten Werkstattanlagen warten als Lost Place einer Konservenfabrik seit Jahren auf ihren Abriss. Das ehemalige Heizhaus I steht im Niemandsland zwischen dem Areal der Media-City und der Alten Messe zwischen den Zeiten.
Heute gehören die Reste des ehemaligen Bahnbetriebswerks Bayerischer Bahnhof zum Entwicklungsgebiet um die Kohlrabizirkus genannte ehemalige Großmarkthalle. Im Bebauungsplan ist von Kultur-, Kreativ- und Sportnutzungen
die Rede. Eingerahmt mit dem üblichen Blabla um straßenraumbildende Baumpflanzungen
, Frei- und Grünraumkonzepte
sowie natürlich Bürgerbeteiligung. Auf konkretere Zuordnungen wollte sich seitens der Stadtverwaltung bislang noch niemand einlassen.