WEGE & PFADE 17 | 4:35 Min
Die Region zwischen Leipzig und Halle gilt als Metropol-Region mit gut entwickelter Infrastruktur. In Vergessenheit geraten sind Verkehrsprojekte wie der Elster-Saale-Kanal oder die Auenschreck genannte Bahnstrecke zwischen Leuna und Leipzig-Leutzsch.
Bereits vor dem Streckenbau gab es viel Hin und Her, was auf eine nicht unbedingt einfache Ausgangslage schließen lässt. Erste Ambitionen zum Bahnbau zwischen Leipzig und Merseburg reichen bis 1896 zurück. Doch erst im Jahr 1915 starteten die Bauarbeiten auf dem Teilstück zwischen Merseburg und Zöschen an der preußisch-sächsischen Grenze. Durch den Einsatz von Kriegsgefangenen konnten die Trassierungsarbeiten im selben Jahr beendet werden. Der Verkehr auf dem Teilstück wurde aber erst 1920 aufgenommen, der Weiterbau ruhte.
Hauptaugenmerk für den Bau der Trasse war der Abtransport von Kohle aus dem Geiseltal in die Industriereviere um Leipzig. Doch mancherlei Fakten und Befindlichkeiten ließen den Bau ins Stocken geraten. Nahezu zeitgleich entstand mit dem 1915 fertiggestellten Leipziger Hauptbahnhof ein länderübergreifendes Prestigeobjekt von Bahn und Post, bei dem seitens des Reiches und der Eisenbahnverwaltungen in Größenordnungen Gelder flossen. Ab Mitte der 1920er Jahre begann zudem der Aufschluss der Braunkohlevorkommen südlich von Leipzig in neuen, großflächigen Tagebauen. Damit dürften die Kohletransporte aus Richtung Geiseltal vom Tisch gewesen sein. Doch knapp zehn Jahre nach der ersten Teileröffnung wuchs mit dem Ausbau des Industriereviers um Leuna und Buna erneut das Interesse an einer Fertigstellung des angefangenen Bahnprojektes. Am 1. Juli 1931 startete schließlich der reguläre durchgehende Betrieb. Die Bauarbeiten zogen sich damit über 35 Jahre hin.
Früh im Abseits
Die entstandene Bahnlinie verlief konsequent am Rand entlang, unterwegs war auch kaum nennenswertes anzubinden. Merseburg umrundete die Bahn mit einer ausladenden Südkurve über das nördliche Leuna und verband Wallendorf, Zöschen und Kötschlitz – allesamt beschauliche Dörfer in der ländlich geprägten Aue entlang der Alten Luppe. Auch das spätere Hauptziel der Strecke, die Leuna-Werke, befand sich in deutlicher Entfernung vom neu entstandenen Bahnhof Leuna. Auch der einstige Bahnhof und spätere Haltepunkt Dölzig lag nicht etwa in der Ortsmitte, sondern streifte die Siedlung in gut einem Kilometer Abstand. Ähnlich die Situation in Burghausen, mit äußerster Randlage zur Industriegemeinde Böhlitz-Ehrenberg. In Leipzig endete die Strecke nach großzügiger Umfahrung von Böhlitz-Ehrenberg in einem Stumpfgleis am Bahnsteig 1a in Leipzig-Leutzsch, rund sieben Kilometer vor dem Leipziger Hauptbahnhof. Die Umstiegsverbindungen waren über Jahrzehnte unbefriedigend.
So nimmt es nicht Wunder, dass bereits zu DDR-Zeiten das Verkehrsaufkommen auf der gut 27 Kilometer langen Strecke bescheiden blieb. Sieben Zugpaare von Montag bis Freitag und vier am Wochenende nutzte bald nur eine Handvoll Reisender. Die wichtigere Rolle im Personenverkehr nahm bereits früh die Überland-Buslinie S-31 ein. Wenig ehrfürchtig war auch der Name Auenschreck, den die Bahn bei der lokalen Bevölkerung hatte. Unmittelbar nach der Wende fristete die Bahnlinie nur noch ein Schattendasein. Nichtsdestotrotz sanierte man den Oberbau der kompletten Trasse bis 1994. Am 24. Mai 1998 endete der Betrieb im Freistaat Sachsen. Auf dem Teilstück zwischen Merseburg und der Deponie Lochau sowie einzelnen Anliegern nahe Ammendorf verblieben noch einige Güterzugleistungen.
Während der unvollendete Kanal seine Liebhaber hat und manche Akteure ihn gern als Tourismusfaktor fertigbauen würden, ist es um den Auenschreck still geworden. Von ihm sind kaum mehr als ein paar Eindrücke in der Landschaft geblieben. Mit einem Bescheid des Eisenbahn-Bundesamtes vom 18.09.2012 wurde die Strecke von Leipzig-Leutzsch bis zum Abzweig Leuna Lw nahe Friedensdorf von so genannten Bahnbetriebszwecken freigestellt. Mittlerweile sind die Schienen demontiert. Der Streckenabschnitt zwischen Friedensdorf und Böhlitz-Ehrenberg wurde 2012 an eine Entwicklungsgesellschaft übertragen, die auf der Trasse einen Radweg errichten will. Bis zum Jahr 2022 hat man davon nichts gesehen. Ein geplanter S-Bahn-Anschluss Merseburgs nach Leipzig soll über eine neue Verbindungskurve bei Bad Dürrenberg erfolgen. Dieses Projekt in Richtung Zukunft empfiehlt auch die so genannte Kohlekommission.
Nachtrag Juni 2024
Auch die Reste vom Auenschreck verschwinden weiter Stück für Stück. Im September 2023 ging auf dem Gleis zwischen Wallendorf und Zöschen ein Radweg in Betrieb, der auf 1,3 Kilometern zwei Schulstandorte verbindet. Vom Radwegende in Richtung Friedensdorf wiederum verschwindet 2024 auf einer Länge von 400 Metern der Bahndamm. Dort sollen Eigenheime entstehen.